Immer Ärger mit Jesus

von Ernst Elitz aus der "Sonntag Aktuell" vom 17. Dezember 2000 Seite 3

Es weihnachtet sehr, und die noch nicht geschriebene Weihnachtspredigt liegt machem Pastor schwer auf der Seele. Liebe Schwestern und Brüder, könnte er predigen, die großen Religionsstifter waren ständig auf Achse. Buddha wanderte 45 Jahre durch Indien. Mohammed hatte einen Gewerbeschein als Karawanenführer, und Jesus war von Anbeginn ein Mensch ohne Heimat. Er wurde nicht in einer deutschen Pfefferkuchen-Idylle geboren, sonder in einem stinkenden Stall. Für durchreisendes Pack, das kein Schmiergeld bezahlen konnte, gab es keine bessere Unterkunft.

Kaum hatten sich am königlichen Hof des Herodes ein paar Fremde nach ihm erkundigt, alarmierte der Gewaltherrscher seinen Sicherheitsapparat. Tausende von IMs und Sondereinheiten der Geheimpolizei machten sich auf den Weg, um das Kind Jesus samt allen anderen Neugeborenen zu ermorden. Der heiligen Familie gelang die Flucht, und Jesus wurde zum Asylantenkind. Nun danken wir dem Herrn, dass sich Maria und Josef im ägyptischen Exil nicht der dortigen Leitkultur anpassten. Womit verdiente dieser Josef sein Geld? Etwa als illegaler Tellerwäscher in einer römischen Pizzeria am Nil? War Maria für einen Hungerlohn als Putzhilfe tätig? Nichts ist darüber bekannt, ob sie, um einer drohenden Abschiebung zu entgehen, in einem Isis- oder Serapis- Heiligtum Kirchenasyl genossen. Auf jeden Fall pflegten die Eltern des kleinen Asylantenkindes ihre jüdischen Riten und unterrichteten das Kind im mosaischen Glauben, sonst hätte der Zwölfjährige zurück in Jerusalem kaum einen so überzeugenden Auftritt im Tempel geboten.

Obwohl Jesus aus dem Hause David stammte, ist seine Herkunft multikulturell. Entgegen den damals üblichen Macho-Regeln erwähnt der Evangelist Matthäus - war er ein heimlicher Feminist? - in Jesu Stammbaum vier Frauen, noch dazu solche, deren Biografien es in sich hatten. Thamar, die Frau des Juda, und Rahab, von deren ursprünglichem Beruf zu reden hier der Jugendschutz verbietet, waren nicht einmal Jüdinnen. Ruth, die Moabiterin, legte sich gesalbt und gebadet zu einem der Stammväter Davids ins Bett. Und Bathseba, die Mutter Salomons, hatte bekanntlich auch nicht den besten Leumund. War der Evangelist Matthäus nur ein Schlawiner, der das Alte Testament auf ein paar anzügliche Stellen durchgeforstet hatte, oder wollte er uns einfach sagen, daß eine nicht ganz stubenreine Verwandtschaft kein Anlass sein kann, einen Mitmenschen zu verachten?

Oh, wäre Jesus doch Asylant geblieben! Sein ständiger Ortswechsel machte ihn bei den Behörden verdächtig, und seine aufrührerischen Reden an Straßenecken und auf nicht genehmigten Demonstrationen ließen ihn zum Feindbild Nummer eins bei den Herrschenden werden. Er wurde gefasst, gefoltert, zum Tode verurteilt und zur Abschreckung öffentlich hingerichtet. Ein zweites Mal ins lebenslängliche Exil war nach dem Heilsplan Gottes nicht drin.

Seinen Jüngern ging es nicht anders. Es trieb sie in alle Gegenden des römischen Reiches, und weder an den Stadtmauern von Sidon oder Korinth kebten Plakate mit der menschenfreundlichen Aufschrift "Fremde sind Freunde", noch bildeten sich Menschenketten, wenn einder der fremden Christen mal wieder vom Mob duch die Straßen gejagt und geprügelt wurde. Das Ende der Weihnachtspredigt könnte also lauten: So ist seit der Stunde von Bethlehem das Christentum eine Geschichte von Asyl und Vertreibung, und die weihnachtliche Behaglichkeit ist ihr ebenso fremd wie Geschenkberge unter dem Weihnachtsbaum oder der Festtagsbraten. Amen!

Oder doch noch nicht Amen? Lohnt es sich in der Christnacht, wo jeder Pfarrer mehr Publikum hat als während des ganzen Jahres, die seltenen Kirchgänger zu verstören? Plötzlich kommen sie beim Heimweg am nächsten Asylantenheim vorbei, und schon schmeckt ihnen daheim die krosse Gans nicht mehr. Vielleicht denken sie an die Bilder von Folteropfern, und der Pfefferkuchen bleibt ihnen im Halse stecken. Diese ganze Christengeschichte bleibt irgendwie unbequem. Mohammed starb zu Haus in den Armen seiner Lieblingsfrau, Buddha verschied als 80-Jähriger friedvoll zwischen zwei blühenden Shala-Bäumen. Nur mit diesem Jesus gab es Ärger bis zum Schluß.
Typisch Asylantenkind.


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