Schlafkur in der Kirche

Da hat endlich ein Pastor aus der Not eine Tugend gemacht. Eine Urlauberin, die aus dem unruhigen Ruhrgebiet nach Bosau zur Holsteinischen Seenplatte fuhr, hat das Einladungsplakat zum Kirchenschlaf als Souvenir mitgebracht. Eine große Tageszeitung hat sie mit ihrer Beute schmunzelnd abgebildet.

Die Dame war begeistert. Nachmittags von 16 bis 17 Uhr Kirchenschlaf in einer schönen Kirche - mit Orgelmusik. Der Organist spielte vermutlich um 16.55 Uhr Bachs Toccata d-Moll zum Aufwachen. Die Urlauberin schwärmte (in der Zeitung): "Der Priester hat Humor."

Ja wirklich. Den hat er. Auf dem Plakat steht: "Pastor von Bosau lädt ein zum Kirchenschlaf in der Kirche Bosau." Ein Esel mag das für eine etwas überdeutliche Einladung zum Sonntagsgottesdienst halten. Aber das war es nicht. Der Kirchenschlaf fand nur werktags statt. Ich wüßte so gern, ob die Patienten am Sonntagmorgen ausgeschlafen in der Kirche saßen!

Nein, ich habe wirklich nichts gegen ausgeruhte Menschen. Es mag sein, daß nur einem Esel wie mir so merkwürdige Gedankenverbindungen kommen: Ich hätte so gern, daß die Leute mit dem Gedanken an Kirche das Wachwerden verbinden und nicht das Einschlafen. Allerdings klagen nicht nur Esel darüber, daß in der Kirche schon viel zuviel geschlafen wird. Wo doch eigentlich alles mit dem Aufwachen begonnen hat - mit der Auferweckung Jesu nämlich. Der Kirchenschlaf führt merkwürdigerweise nicht zu neuem Tatendurst. Die Beine werden einem so müde, daß sie in den Sarg wollen.

Diese Geschichte wurde von Ulrich Parzany verfasst.


Diese Seite ist von Andreas Walter im Februar '96 gestaltet.

Andreas Walter

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