Es orgelt

Sie werden mit Recht fragen: "Was versteht ein Esel von Musik?" - So gut wie nichts, gebe ich zu. Mein Erkennungsschrei könnte höchstens als Beitrag zu christlicher Protest- und Untergrundmusik gelten.

Allerdings ist ein schreiender Esel immer noch besser als ein verstummender Gottesdienstbesucher.

Neulich sitze ich in einem Gottesdienst. Kunstvoll hebt die Orgel an. Mit meinen drei Nachbarn vermute ich an einer bestimmten Stelle, daß jetzt das angeschlagene gemeinsame Lied zu singen sei.

Wir fangen an. Ich etwas zu laut. Von links streift mich ein strafender Blick. Wie kann ich auch! Gott vernimmt doch auch den stummen Gesang des Herzens. Das sollte ich Esel wissen.

Da - was ist das? Die Orgel pausiert. Vielleicht war das der Übergang zur zweiten Strophe? Wenn ich doch nur aus der Vielfalt der wunderschönen Töne die Melodie des Liedes erkennen könnte. Aber das ist schließlich meine Schuld. Warum kann ich nicht vom Blatt singen! Eine Organistin ist schließlich nicht dazu da, dem unmusikalischen Kirchenvolk die Melodie - möglichst noch mit einem Finger - ins Ohr zu spielen!

Ich gebe auf. Das Lied ist aus dem 16. Jahrhundert. Ich lese mit, was im Gesangbuch steht. Die Orgel spielt dazu.

Ich kann zwei Strophen lesen, während die Orgel eine spielt. Sehr gewinnbringend. Vielleicht sollte ich dankbar sien, daß die Orgel das Mitsingen verhindert . . .

(Und am Ende lesen Alle, und keiner singt mehr...)

Diese Geschichte wurde von Ulrich Parzany verfasst.


Diese Seite ist von Andreas Walter im Februar '96 gestaltet.

Andreas Walter

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